Über geistige Freiheit

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Kleiner Vogel rot 

kleiner vogel rot

 In einem totalitären System sitzt Mari in einer Gefängniszelle. Sie erfährt, dass sie am nächsten Tag hingerichtet werden soll. Sie erinnert sich an ihren Freund Juri und an die Zeit, bevor das Oberste Gremium die Macht ergriffen hat und das Leben noch leicht und unbeschwert war.

Als Juris Onkel, der verbotene Musik unter die Leute gebracht hat, vom Obersten Gremium verschleppt wird und Mari ein Graffiti sieht, wird in ihr endgültig die Idee zum Widerstand geweckt. Sie verfasst Schriften, die den Slogan des Graffiti „Was wäre, wenn..“ aufgreift und zum Titel hat. Mari gelingt es, Kontakt zum Widerstand aufzubauen und ihre Schriften sogar in der Lexikothek zu verteilen.

Doch der Geheimdienst des Obersten Gremiums verrichtet seine Arbeit. Die Widerstandsgruppe und Mari werden verhaftet.

Als ein Priester zu ihr kommt, bleibt Mari entschlossen und bittet nicht um Vergebung. Sie ist nun entschlossen, dem Tod ins Auge zu sehen. Die endgültige geistige Freiheit erlangt sie, als sie einen kleinen roten Vogel sieht.

In regelmäßig unregelmäßigen Abständen veröffentlicht der Zwerchfell Verlag Comics, die die Leserschaft immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise ansprechen.

Der vorliegende Band handelt von einer jungen Frau, Mari, die in einem unantastbaren, unüberwindlichen totalitären System lebt. Nachdem ihr Onkel von Agenten des Systems verhaftet und verschleppt wurde, sucht sie den Widerstand, um sich ihm anzuschließen. Neben dem traumatischen Erlebnis des verschwundenen Onkels machen Mischitz und Bünte diese Charakterentwicklung an einer Zufälligkeit fest, die Mari erlebt. Sie sieht ein Graffiti des Widerstands, der ihre kreative Ader anspricht. Nicht nur an dieser Stelle versteht es Veronika Mischitz ihrer Heldin eine besondere Mimik zu verleihen. Gerade diese Momente lassen den Leser immer wieder etwas länger an und in den Panels verweilen. Hinzu kommt auch die Körpersprache der Heldin, mit der ihre Gefühle wie Mut, Wut, Liebe, Verzweiflung, aber auch Entschlossenheit zum Leser transportiert werden.

Maris Umwelt definiert sich aus der Mitte zwischen 1984, Schöne neue Welt oder auch V wie Vendetta. Bünte bedient sich einzelner Elemente dieser Werke und hat sie für seine Kurzgeschichte neu zusammengesetzt, die wiederum von Veronika Mischitz mit großer Sensibilität für die Neunte Kunst umgesetzt wurden.

So bleiben die Agenten des Kollektivs immer anonym und sind weder für die Leser noch für Mari erkennbar. Beklemmend ist darüber hinaus, dass man weder als Leser noch Mari erfährt, wie sie überhaupt verraten wurde oder gar durch wen. Auch hier sind in den entscheidenden Panels keine Gesichter zu sehen, was die Allgegenwart des Kollektivs und ihrer Agenten erahnen lässt.

Christopher Bünte hat die Vorlage für diesen Comic im Rahmen eines Schreibwettbewerbs mit dem Thema „Zeichen“ erdacht und geschrieben. So findet man als Leser Zeichen oder Symbole mal mehr, mal weniger offensichtlich im vorliegenden Comic. Im schwarz-weiß gehaltenen Artwork hebt sich am Ende der Story der kleine rote Vogel deutlich ab. Er symbolisiert nicht zuletzt Maris geistige Freiheit, die das Regime, das interessanterweise auch Kirche und Politik wie in einer Diktatur oder auch im Feudalsystem nicht unüblich verbindet, nie einschränken konnte. Auch ihre Liebe zu Juri nimmt eine zentrale Position ein, so dass Freiheit und Liebe auch von einem noch so perfekten und totalitären System nicht dauerhaft eingeschränkt werden kann.

Der vorliegende Band weist viel Talent am Bleistift und im Erzählen einer Geschichte auf. Ich halte den kleinen Vogel rot für absolut preisverdächtig.

Zwerchfell hat den Comic als Hardcover in einer ansprechenden Optik mit ansprechendem Zusatzmaterial veröffentlicht. Genauso präsentiert man heutzutage einen Comic auf dem deutschen Markt.

Kleiner Vogel Rot, Zwerchfell Verlag, HC, 88 Seiten, € 14

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