Es ist eine traurige Erkenntnis, in unserer durchtechnisierten Welt können auch Adventskalender abstürzen. Und wenn die vorbereiteten Texte plötzlich alle weg sind und das Weihnachtsgeschäft brummt, machen die Lesetipps zwangsweise einfach Pause.
Aber jetzt geht es weiter und gleich mit dem dicksten Buch des Jahres, der faszinierenden Autobiografie von Yoshihiro Tatsumi mit ihren 848 Seiten.
„Gegen den Strom“ gibt uns einen Einblick in die Mangahistorie der Nachkriegszeit in den 1950er-Jahren. Der junge Hiroshi Katsumi aus Osaka zeichnet Manga. Zunächst entwirft er kurze Strips für Magazine und Zeitungen, schnell entwickelt er Ideen für längere Geschichten. Inspiriert vom erfolgreichen Osamu Tezuka, gerät er mitten hinein in die rasant wachsende Manga-Industrie, in der neben einer prickelnden Aufbruchsstimmung ein harter Konkurrenzkampf um junge Zeichentalente herrscht.
Selbstausbeutung gehört für die jungen Zeichner zum Programm und die Verleger schrecken auch vor kriminellen Methoden nicht zurück – der Kampf um Marktanteile ist von der härtesten Sorte.
Als Katsumi mehr und mehr zwischen die Fronten gerät und mit eigenen Vorschlägen an Grenzen stößt, schließt er sich mit anderen Gleichgesinnten zur Gekiga-Werkstatt zusammen − und begründet damit einen neuen Erzählstil. Die Gekiga-Werkstatt entwickelt Mangageschichten für Erwachsene. Und die Diskussionen der Künstler und Verleger, dass Manga eben nicht nur für Kinder gemacht werden sollten, sind einfach herrlich – und erschreckend zeitlos.
„Gegen den Strom“ ist ein fantastisches Buch geworden, spannend und unterhaltsam. Tatsumi gibt uns nicht nur einen ausführlichen Einblick in seine Autobiografie, sondern liefert auch ein Porträt der kulturellen Entwicklungen Japans von 1948 bis 1960.
Gegen den Strom – Eine Autobiografie in Bildern, 848 Seiten, EUR 44.-