Ende dieser Woche erscheint die Fortsetzung von „Sweet Tooth“, einer der besten neuen Vertigoserien bei Panini, geschrieben und gezeichnet von Jeff Lemire.
„Gefangen“ lautet der Titel von Band # 2 und dieser Titel ist Programm.
Gefangen ist nämlich Gus, der von Jepperd in einem Lager abgeliefert wurde und hierfür einen Seesack erhalten hat.
Und wer nun glaubt, dass sich in diesem Seesack ein Riesenpaket Dollars befindet, hat sich noch nicht mit dem Wirken von Jeff Lemire befasst, denn Lemire denkt bei der Konzeptionierung seiner Serie nicht in den üblichen Dimensionen. Darüber hinaus dürfte in diesem apokalyptischen Szenario Geld längst seinen Wert verloren haben.
Was sich in diesem Seesack befindet, werde ich hier nicht enthüllen, aber es sei verraten, dass der Inhalt des Seesacks ein wesentlicher Faktor für Jepperd und seinen Antrieb ist, Gus in das Militärlager zu bringen. Und rasch wird klar, dass auch Jepperd auf seine Art und Weise gefangen ist und zwar in seinen Verhaltensmustern.
Lemire befasst sich generell im vorliegenden Band überwiegend mit Flashbacks und greift dabei auf 2 Kniffe zurück, die er gekonnt einsetzt.
Jepperd und Gus befinden sich an unterschiedlichen Orten und verbleiben auch dort. Genau diese Immobilität verschafft Lemire Raum, Vergangenes zu erzählen. Insbesondere der Flashback auf Jepperds Vergangenheit macht den bisher grobschlächtigen Kopfgeldjäger zu einem der komplexesten Comic Charaktere der letzten Jahre mit einer erwarteten Entwicklung. Doch Lemire will mit dieser Entwicklung gar nicht überraschen. Der Weg dahin ist die eigentliche Überraschung.
Gus wird von Dr. Singh, dem Wissenschaftler des Militärcamps, hypnotisiert, was erforderlich ist, um einen Zehnjährigen glaubhaft in die Vergangenheit zu führen.
Dieser Dr. Singh ist auch gefangen, denn Abott, der als eigentlicher Schurke eingeführt wird, zwingt Dr. Singh zu Gewalthandlungen an den Hybriden.
Inhaltlich lässt Lemire jede Story mit einem Cliffhanger enden, den er zunächst in der Story konsequent vorbereitet, aber der den Leser dann doch meist unerwartet trifft. Teilweise gleichen diese Cliffhanger einem Schlag in die Magengrube, denn die Atmosphäre dieses Bandes ist düster, wesentlich düsterer als in Band # 1. So gekonnt erzählt und geschildert habe ich dies zuletzt bei Serien wie The Walking Dead oder Y the last man gesehen.
Auch Gus durchlebt eine gewisse Entwicklung, die ebenso eng mit dem großen Geheimnis, das ihn umgibt, verbunden ist wie mit dem Verlust der kindlichen Naivität.
Wie über jeden Zeichenstil mag man auch über Lemires Stil geteilter Meinung sein, aber sein Timing beim Panelaufbau und der –architektur ist und bleibt sensationell.
Mit dem vorliegenden Band # 2 veröffentlicht Panini die US-Ausgaben # 6-11. Band # 1 ist selbstverständlich noch erhältlich.
Sweet Tooth # 2, Panini, 148 Seiten, 16,95 €