Old City Blues Vol. #1

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OCB_1Seit 1984 William Gibson mit Neuromancer seine Sprawl-Trilogie eröffnet hat und damit das neue Genre Cyberpunk ins Leben rief, ist dieser nicht mehr aus unserer Kultur wegzudenken. Umso überraschender ist es, dass zwar Themen und Bilder des Cyberpunks in das Medium Comic Einzug gehalten haben, glasklare Cyberpunkcomics allerdings eine Mangelware sind. Lediglich Masamune Shirow hat mit seinen Franchisen wie Ghost in the Shell oder Appleseed dieses Genre eindeutig besetzt und ausgebaut. Umso erfreulicher ist es, dass mit Giannis Milonogiannis ein europäischer Autor und Zeichner seinen Hut überzeugend in den Ring wirft.

Old City Blues ist der erste Sammelband seines gleichnamigen Web-Comics und dieser nutzt die komplette Klaviatur der Cyberpunk Bilder und Themen – eine hochtechnisierte urbane Welt, eine durch Umweltkatastrophen zerstörte Natur, eine starke soziale Polarisierung der Gesellschaft, Mega-Coporations sowie die Sprache der Hardboiled Crime Novel.

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Im Zentrum der Geschichte steht Detective Solano der Special Police Division Ten (SDX) der Megastadt New Athens. Als eines Tages der Chef des Hayashi Konzerns ermordet in einem Hotelzimmer aufgefunden wird, will der Megakonzern eine Untersuchung der Tat unterdrücken. Als sich herausstellt, dass Hayashi von einem Roboter des eigenen Konzerns ermordet wurde, ermittelt Solano weiter.

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Old City Blues arbeitet mit der Struktur eines Police Procedurals. Solanos Ermittlungen führen ihn Schritt für Schritt, Information um Information immer näher zu dem Kern seines Falles. Hierbei treffen wir die typischen Elemente des Genres wieder – überraschende Informanten, wilde Verfolgungsjagden und das Mysterium eines bedrohlichen Ortes.

Giannis Milogiannis liefert eine tolle Optik. Sein Stil mixt die Manga-Dynamik mit der Sensibilität von Independantcomics. Als hätte einer von Shirows Schüler entschieden, dass des Lehrers Arbeit zu sauber, zu glatt sei. Insbesondere die Aktionsequenzen wirken wie durchgeschüttelt. Als wurden die Panels während der Zeichnungen immer wieder verschoben. Zudem verwendet Milogiannis Rasterpunkte in großem Maße, was der Geschichte eine noch gebrochenere Atmosphäre verleiht. Der Beton hat Risse, die Natur ist kaputt. Kein Strich ist gerade und nur die leeren Flächen wirken gesund. Insofern orientiert sich Milogiannis‘ New Athens deutlich mehr an Gibsons Chiba als an Shirows Olympos.

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Seine Protagonisten kämpfen optisch gegen diesen Verfall an. Die Gesichter sind mit wenigen Strichen akzentuiert. Seinen Figuren gibt Milogiannis eine vitale Aufrichtigkeit samt einer sehr europäisch gezeichneten Mimik. Seine Gesichter wurden mit dem Klassiker Herge oder Paul Pope verglichen. Beide Vergleiche sind allerdings weit hergeholt. Vielmehr zeigen diese Vergleiche, dass Milogiannis einen eigenen Stil gefunden hat. Sie asketisch aufgesetzten Gesichter bilden schlicht einen Kontrapunkt zur gebrochenen Umgebung.

Old City Blues ist für alle die, die nicht genug Cyberpunk bekommen können und wie ich von Appleseed XIII enttäuscht waren. Man kann Old City Blues als „konservativen Cyberpunk“ beschreiben. Er liefert auf allen Ebenen eine tolle Geschichte in tollen Bildern.

Old City Blues Vol. #1 von Giannis Milogiannis

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