Brian Wood kann nicht anders. Anstatt damit zufrieden zu sein, ein gefragter und erfolgreicher Autor bekannter Brands wie der X-Men oder Star Wars zu sein, fasst er immer wieder die ganz schwierigen Stoffe an. Ob es Fragen der Macht und der Politik in DMZ sind oder eine Meditation der Wikingerkultur in Northlanders, Wood muss regelmäßig ganz dicke Bretter bohren. Ansonsten scheint ihm schlicht langweilig zu sein. The Massive ist sein neustes dickes Brett.
Black Pacific handelt von den Aktivisten der Umweltorganisation Ninth Wave, die auf dem Schiff Kapital über die Weltmeere auf der Suche nach Ihrem Mutterschiff, der Massive, fahren. Die Welt der Ninth Wave ist ein nach einer ganzen Reihe von Umweltkatastrophen verwüsteter Erdball. Erdbeben, Vulkanausbrüche, plötzliche Veränderungen des Klimas haben die Welt fast entvölkert.
Im Rahmen der Suche nach dem Mutterschiff werden die Charaktere mit den Konsequenzen einer anarchischen Welt konfrontiert. Ein zentrales Thema, welches den Leser immer wieder konfrontiert, ist die Abwesenheit des Gewaltmonopols eines Souveräns. Diejenigen, die eine geladene Kalaschnikov haben, haben das Recht in ihren Händen.
Wood vertieft dieses Leitmotiv mit den Persönlichkeiten seiner Figuren. Kapitän Callum Israel ist Pazifist und kämpft mit dem nicht lösbaren Dilemma seiner Überzeugung in einer ungeordneten Welt. Sein erster Offizier Mag Nagendra ist der Gegenpol. Er hat keine moralischen Probleme mit der Durchsetzung seiner Überzeugungen durch Waffengewalt, hört aber auf seinen Freund und Kapitän. Ihre Konflikte sowie die überzeugenden weiteren Charaktere geben dem Comic eine persönliche Note, die die großen Themen von Black Pacific weiter vertiefen.
Kristian Donaldson ist der perfekte Zeichner für diesen Stoff. Er ist verantwortlich für rund zwei Drittel des Bandes. Er hat einen sehr feinen Strich. Seine Panels arbeiten gezielt mit großer Leere und funktionalen Darstellungen. Durch diesen Stil entwickelt Donaldson eine beeindruckende Nüchternheit. Wunderbar zeigt er die Kämpfe der Charaktere, die sich weigern, Ihre Hoffnung auf eine bessere Welt im Angesicht einer desillusionierten Realität aufzugeben.
Den nervösen Counterpart zu Kristian Donaldson bildet Garry Brown. Seine hektischen Striche sind plastisch und enorm energiegeladen. Die Anspannung der Panels springt den Leser förmlich an. Hierbei zeigt Brown gleichzeitig große Klasse, weil keine Figur verzerrt, kein Winkel verschoben wirkt. Er hat seinen Stil fertig entwickelt, wo ein ähnlicher Zeichner wie Roland Boschi noch übt.
Viel zu selten erwähnt man als Blogger die Colorierung eines Bandes. Dave Stewart leistet einen fantastischen Job. Die meisten Panels sind ein bis dreifarbig. Interessanter Weise unterstützt dies den dokumentarischen Stil des Comics. Die Farben reduzieren und fokussieren die Emotionen des Lesers. The Massive ist ein extrem starker Comic und zeigt Brian Wood von seiner besten Seite. Wood hat viel Zeit in Recherche und Konzeption gesteckt, was dem Comic einen ultrarealistischen Flair verleiht. Die dauerhaft erscheinenden nautischen Angaben, die wissenschaftlich anmutenden Beschreibungen der Katastrophen und die dabei komplett auf der Microebene ablaufenden Geschichten machen The Massive zur ersten Fake Documentary, die ich jemals in Comicform gelesen habe.
Fazit – genial!
The Massive Vol. #1 „Black Pacific“, von Brian Wood, Kristian Donaldson, Garry Brown und Dave Steward