Age of Apocalypse Vol. #1 & #2

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Es ist selten, dass man ein Buch aus dem X-Men Universum als unterschätzt bezeichnen muss. Oft genug ist es genau anders herum. Unter dem großen Brand der X-Men werden durch Wechsel der kreativen Teams öfters plötzlich schwache Inhalte abgeliefert. Dass ein starkes Team starke Arbeit abliefert und dies aufgrund der Vermarktung als „Seitentitel“ niemand mitbekommt ist eher selten.

Age of Apocalyse (AoA) ist deutlich unterschätzt. Die Serie litt von Anfang an unter schwachen Verkaufszahlen und wird demnächst eingestellt. Und dies ist ein Jammer! AoA ist eine sehr beeindruckende Dystopie, bei der ein hervorragendes Skript von außergewöhnlich atmosphärischer Artwork vollendet wird.

AoA ist ein Spinoff aus Uncanny X-Force (UXF), wo Autor Rick Remender sich auf einen alten, von 1995 – 1996 durchgeführten Mega-Crossovers des Marvel Universums besann. Damals wurden aus dem nichts alle X-Men Serien unter anderem Titel neu gestartet. Es handelte sich hierbei aber nicht um die klassische Earth-616, sondern wie sich im Laufe des Relaunch herausstellte um Earth-295. Wer mehr über diesen Crossover wissen möchte, den verweise ich auf Wikipedia.

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Remender schickt während seiner Dark Angel Saga bei UXF das Team wieder zur Earth-295, um dort eine Lösung für die Veränderungen bei Warren Worthington zu finden. Meine Gedanken zu dem kompletten Uncanny X-Force Run von Rick Remender findet Ihr hier.

David Lapham übernahm das Ruder bei AoA und fügt seine Geschichte nahtlos an die Ereignisse von Uncanny X-Force an. Lapham ist ein Autor, der sich in den 90ern bei Valiant einen großen Namen erarbeitet hat, um dann einen abrupten Schwenk in Richtung selbstherausgegebener Comics durchzuführen. Seine Serie „Stray Bullets“ gewann zwei Eisner Awards und gilt noch heute als Meisterwerk nihilistischer Crime Geschichten. Insofern erfüllt David Lapham alle Voraussetzungen, um eine Dystopie eines alternativen Marveluniversum zu kreieren.

Um den Leser einen möglichst einfachen Start in das AoA Universum zu ermöglichen enthält der erste Sammelband die Nummer 19.1 von Uncanny X-Force sowie eine Kurzgeschichte. Beide Geschichten führen den Leser schnell in das Setting ein und akklimatisieren ihn damit. Und dies ist dringend notwendig, denn es erwartet einen nichts anderes als ein Kulturschock.

Die Menschen stehen kurz vor der Ausrottung durch die Mutanten und werden durch systematischen Genozid an den Rand des Aussterbens getrieben.  Im Untergrund formiert sich ein Widerstand aus den letzten Menschen und rebellischen Mutanten. Auf Seite der Menschen kämpft die Truppe der „X-Terminated“. Hierbei handelt sich komplett um Figuren, die im Marvel Universum zentrale Antagonisten der X-Men sind. Auch wenn die Geschichte von einem Reporter erzählt wird, so ist William Stryker, genannt Prophet, die Hauptfigur. William Stryker ist vielen seit dem zweiten X-Men Film X2 ein Begriff, da er hier der Gegenspieler der X.Men ist. Der AoA William Stryker ist ein genialer Taktiker, der sich das Ziel gesetzt hat die Mutanten zu besiegen.

Stryker hat ein Team um sich gesammelt um den Herrscher der AoA, Weapon Omega, zu stürzen. Im ersten Band erfahren die X-Terminated, dass Dark Beast mit Hilfe der Macht der Celestials bereits getötete Mutanten wieder zum Leben erweckt. Mutanten, die Stryker und sein Team umgebracht hatten. Der erste Band erzählt die Geschichte, wie die X-Terminated dies zu verhindern suchen.

Im zweiten Band bereiten die X-Terminated einen Anschlag auf Weapon Omega vor und führen diesen durch. Der zweite Band besticht durch eine hervorragende Vertiefung der einzelnen Charaktere sowie der Welt an sich. Dabei wird eine rasante Geschichte erzählt, die eine Überraschung an den nächsten Schocker reiht. Allein die Geschichte um den AoA Dr. Doom in den Nummern #7 und #8 ist das Geld für den Sammelband wert.

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Bei AoA ist schwarz weiß und oben unten. Die Figuren sind Meisterwerke der Negation bekannter Charakteristika der selben des Marvel Universums. Der Leser erkennt alle Figuren wieder, doch Lapham faltet sie einmal um und verstärkt bekannte Schwächen wie Stärken. Er schafft so ein verdrehtes Spiegelbild bekannter Charaktere. Es ist ein wahres Fest!

Roberto de la Torre ist mir vorher nicht bekannt gewesen. Insofern war ich unvorbereitet auf diese einmalige Kombination aus Fotorealismus und surrealen, verwischten Strichen. Alle seine Panels haben ein eindeutiges Zentrum, in welchem de la Torre glasklare Striche setzt und das Auge des Lesers platziert. Um dieses Zentrum herum verschwimmen die Strukturen. Es wird mehr angedeutet als definiert. Durch diese Technik wird der Leser förmlich in die Seiten hineingezogen. Man versinkt in dieser düsteren Welt. Unterstützt wird dieser Effekt durch eine erstklassige Colorierung, die gedämpft bis erdrückend daherkommt.

Als zweiter Zeichner fungiert Renato Arlem. Arlem hat nicht die Klasse eines de la Torre. Seine Striche sind dick und schwerfällig. Aber genau deshalb passt er gut zu dem Erzählstil. Seine Zeichnungen passen sich ein die düstere Atmosphäre. Der Qualitätsabfall gegenüber Roberto de la Torre ist daher verhältnismäßig und kein Negativum.

AoA ist nicht weniger als ein verkanntes kleines Meisterwerk. Lapham und de la Torre machen es dem Leser nicht leicht. Es fehlen die Lichtblicke, die klaren Identifikationsfiguren. Alle Protagonisten sind brutal und gebrochen. Aber genau das macht den Reiz dieses Comics aus. Man erhält einen dystopischen Comic, der in seiner atmosphärischen Dichte durchaus mit einem „V for Vendetta“ mithalten kann. Es hat nicht die politische Tiefe von VfV, liefert aber hervorragende Unterhaltung.

Age of Apocalypse Vol. #1 „The Exterminated“ & Vol. #2 „Weapon Omega“

von David Lapham, Robert de la Torre, Renato Arlem und andere

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