Spannende Chronologie einer Beziehung

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Bastian Vivès kann trotz seiner Jugend bereits auf ein beträchtliches Portfolio zurückblicken. Reprodukt veröffentlicht nun nach dem Erfolg des letztjährigen Comic-Salons von Der Geschmack von Chlor nun sein nächstes Werk, In meinen Augen.

Aus dem Blickwinkel ihres Verehrers lernt der Leser ein rothaariges Mädchen kennen. Hieraus entsteht eine Beziehung, die scheitert, bevor sie richtig reifen kann. 

Vivès Comic besticht durch seine sehr kurzen Dialoge, die nur das Wiedergeben, was das Mädchen sagt. Die Sätze bzw. Antworten ihres Verehrers muss man als Leser selbst ergänzen. Es ist schon erstaunlich, wie reibungslos das funktioniert. Das Mädchen, dessen Name der Leser ebenso wenig erfährt wie er das Gesicht ihres Verehrers sieht, drückt sich vornehmlich mit Gesten und Mimik aus. Dabei flirtet sie nicht nur mit ihrem Verehrer. Dadurch, dass sie der Leser ausnahmslos durch die Augen ihres Verehrers sieht, flirtet sie genau so intensiv mit dem Leser. Jedes Lächeln, jeden Augenaufschlag oder jedes Stirnrunzeln hat Vivès exakt beobachtet und eindrucksvoll zu Papier gebracht. Keine ihrer Bewegungen, auch wenn sie noch so beiläufig erscheint, geschieht zufällig, sondern ist wohl durchdacht.

Dabei liegt auf der Beziehung von Anfang an eine gewisse Schwere oder Melancholie, die leicht zu erkennen, aber deren Ursachen weder erkenn- noch greifbar sind. Eine Ursache könnte der Klausurenstress sein, dem das Mädchen zunächst ausgesetzt ist. Doch das kann nicht der alleinige Grund sein. Eine Schlüsselszene ist zweifellos ein Besuch des Affenhauses in einem Zoo, als das Mädchen beim Beobachten der Affen wie ausgewechselt erscheint.

Die Atmosphäre, die Vivès schafft, nimmt den Leser völlig ein. Dabei nutzt er keine klassischen Panel, sondern erzählt die komplette Story aus den Augen des Verehrers, die Vivès wie eine Kamera einsetzt. Unglaublich ist, dass Vivès seine Story mit einem grobkörnigen Buntstift zeichnet, was der Story ein individuelles Gepräge verleiht.

Andere Charaktere werden meist nur schemenhaft dargestellt. Das Mädchen nimmt die komplette Aufmerksamkeit ihres Verehrers ein.

Typisch für Vivès ist das offene Ende, das Leser dieses Comics noch einige Zeit beschäftigen wird, nachdem der Comic zu Ende gelesen und aus der Hand gelegt wurde.

Von Bastian Vivès werden wir noch viel hören und noch mehr lesen.

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